ATC Against The Clock

Lain Iwakura und Jeronimo Voss. Guests: Soland Angel, Aaron Benanav, Alberto Ricca *Bienoise, Peter Kradolfer *Wanja, Antonia S. Manhartsberger, Iulia-Andreea Smeu *Kite

Was tun mit unserer Zeit? Die Künstler*innen Lain Iwakura und Jeronimo Voss nehmen Erfahrungen des alltäglichen Zeitmangels zum Anlass für Experimente jenseits der universellen Standardzeit UTC. Sie setzen gegen die Verknappung der monochronen, linearen Zeit, gegen den zunehmenden Endzeit-Jargon in Politik und Medien, den real möglichen Überschuss polychroner Zeit. Es geht um polyrhythmische Experimente, halluzinogene Maschinen und anarchistische Uhrmacher*innen. Dazu laden sie verschiedene Perspektiven ein zur Versammlung und Rauminstallation zeitbasierter Medien – against the clock.

ATC ist eine audiovisuelle Rauminstallation und Parallelgeschichte. Historischer Ausgangspunkt sind die folgenreichen Arbeitsniederlegungen jurassischer Uhrmacher*innen in den 1870er Jahren. Diese Dekade im Tal von Saint-Imier war durch die gleichzeitige Ausweitung und Abwertung weiblicher Lohnarbeit in der Uhrenindustrie geprägt, sowie deren Arbeitskämpfe und Streiks. Während die uns bekannte Zeitlinie kurz darauf eingehegt wurde in eine Geschichte männlich dominierter Gewerkschaften, Klassenkompromisse und die Durchsetzung der universellen Standardzeit, versucht ATC eine andere Entwicklung nachzuzeichnen, bis hin zu einem Punkt, der unserer Gegenwart in mancher Hinsicht ähnelt und zugleich grundlegend von ihr abweicht.

Uchronia hat in dieser anderen Realität vielleicht als Utopie begonnen, als nicht-Ort, bis dieser abgelöst wurde durch die Praxis von Uhrmacher*innen, die keine mehr sein wollten. Uchronia meint hier die Abkehr der streikenden Uhrmacher*innen vom monochronen Ticken der staatlich-ökonomischen Moderne in Richtung einer offenen Zukunft. Fortan beschäftigen sie sich mit Eigenzeiten und den Polyrhythmen ihrer Umwelt, mit Resonanz, Vibration und Klangkörpern. Dabei entstehen Geräte, die keine vermeintlich neutrale Uhrzeit vermitteln, keine Standardzeit, sondern raum-zeitliche Verhältnisse, Nachrichten, Pläne, Entscheidungsprozesse, Poesie, Emotionen, Berührungen und Klänge.

In ATC stehen sich widersprechende Zeitverständnisse und -politiken gegenüber. Anders als die bekannten Nachhaltigkeits-Bildwelten von Solar-Punk bis Eco-Modernism, existiert ATC als uchronische Alternative nicht in einer bloß hoffnungsvollen Zukunft, sondern in einer Parallele, die im Perspektivwechsel grundlegende Fragen zu Technologie, Klassen- und Naturverhältnissen unserer eigenen Gegenwart aufwirft.

ATC basiert auf einem Austausch zwischen der Klangkünstlerin Lain Iwakura und dem bildenden Künstler Jeronimo Voss (Kurzbios siehe unten). Beide beschäftigen sich in ihrer Praxis zeitbasierter Medien mit Fragen der Herstellung, Organisation, Bewältigung und Überwindung von Zeit. Die Installation wird im Laufe der Ausstellung durch verschiedene Interventionen ergänzt. Beitragende Gäst*innen sind: Soland Angel, Aaron Benanav, Alberto Ricca *Bienoise, Peter Kradolfer *Wanja, Antonia S. Manhartsberger, Iulia-Andreea Smeu *Kite

Begleitet von Silke Baumann und Tim Kummer, Vorstand Ausstellungsraum Klingental.

Besonderer Dank an: Tweaklab AG, Basel

Kurzbiografien:

Soland Angel ist ein schweizerisch-kolumbianisches Musikduo aus Basel, bestehend aus Marianna Angel, einer klassisch ausgebildeten Pianistin, und Yanik Soland, einem bildenden Künstler und Musiker. Die musikalischen Interessen des Duos liegen in der Schnittmenge von freier Improvisation und offenen kompositorischen Konzepten auf der Basis selbst entwickelter Notationsformen. Seit 2019 treten sie in Galerien, Museen und Clubs wie der Kunsthalle Basel, dem Centre Culturel Suisse (Paris) oder der Galerie Anton Janizewski (Berlin) auf.

Aaron Benanav ist Soziologe, Wirtschaftshistoriker und Assistant Professor für Soziologie an der Syracuse University. Zu Benanavs Forschungsinteressen gehören Automatisierung und die Zukunft der Arbeit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung, Wirtschaftswachstum und Entwicklung, kritische Theorie und alternative Wirtschaftssysteme. Er ist Autor des Buchs "Automatisierung und die Zukunft der Arbeit" (Suhrkamp, 2021).

Alberto Ricca *Bienoise ist Laptop-Komponist, Dozent und Klangkünstler, der derzeit die Bedeutungen kaputter Interfaces erforscht. Seine letzten Alben sind THIS MEANING TODAY und MOST BEAUTIFUL DESIGN, die beide bei Mille Plateaux erschienen sind, sowie TO BE BANNED FROM ROME, das auf dem kuratorischen Label des C2C Festivals veröffentlicht wurde. Er unterrichtet Live-Elektronik-Performance und Synthese am IED Mailand. Er ist einer der Gründer von FLOATING FOREST, einem Label für improvisierte Musik mit Sitz in Norditalien.

Peter Kradolfer *Wanja ist ein multidisziplinärer Künstler, der mit Fotografie, Video, Sound und Installation arbeitet. In seiner Arbeit setzt er sich mit sozialen sowie ökologischen Konstrukten und deren Beziehung zum menschlichen Körper auseinander. Seine Arbeitsweise entspringt dem Erkunden und Dokumentieren von Orten und Ereignissen in seinem Umfeld, von denen er Materialien, Klänge und Bilder in installativen Settings zusammenfließen lässt. Dabei steht die körperliche und sinnliche Erfahrung im Mittelpunkt. Peter lebt und arbeitet in Basel, wo er im Sommer 2023 seinen Bachelor of Fine Arts absolviert hat.

Antonia S. Manhartsberger schloss 2014 ihr Studium der Musikwissenschaft an der Universität Wien und 2022 ihr Masterstudium der Computermusik am Institut für Elektronische Musik an der Kunstuni Graz ab. Sie gründete und kuratiert die monatlich stattfindende electronics-only Impro Session „pla-e-ground“ im Cafe Wolf Graz und ist Teil des RadioIronieOrchesters des Radio Helsinki und Präsidiumsmitglied von mur.at. Außerdem performt sie als DJ Auto und ist Teil der post-spam Band Frau Sammer.

Iulia-Andreea Smeu *Kite (RO/CH) ist eine multidisziplinäre Künstlerin mit Sitz in Basel, Schweiz. Ausgebildet als klassische Geigerin in Bukarest (RO) und Bern (CH), führte der Richtungswechsel in den Bereich der frei improvisierten Musik und des Sounddesigns zu einer erweiterten künstlerischen Praxis. In ihrer gegenwärtigen Arbeit verbinden sich elektroakustische Klänge mit gesprochenem Wort und visuellen Elementen, um verkörperte Erfahrungen zu schaffen, die eine Selbstreflexion ermöglichen, während sie mit dem Potenzial hybrider Ausdrucksformen und Formate experimentiert.

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Veranstalter:in

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